Gespräch mit dem Präsidenten
Selbstkenntnis ist der Schlüssel zur Innovation
Unter Bernhard Berger hat die usic Bewährtes vorangetrieben, aber auch bewusst hinterfragt. Im Jahresrückblick spricht der abtretende Präsident unter anderem über die Verbandsstrategie, den Think Tank, neue Zusammenarbeitsformen und Änderungen im Vorstand.
Bernhard Berger, wo stehen die Planungsbüros Ende 2021?
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Unsere Planungsbüros sind relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Die Gesamtwirtschaft erholt sich, was sich auch bei den Bautätigkeiten niederschlägt. Dennoch bleiben für die Zukunft einige Unsicherheiten. Im zweiten Halbjahr war die Bauwirtschaft überdurchschnittlich von der wachsenden Teuerung und von Lieferengpässen betroffen. Das macht kurzfristig eine zuverlässige Kosten- und Terminplanung schwieriger. Mittelfristig könnte dies, zusammen mit ansteigenden Zinsen, die Nachfrage etwas dämpfen.
«Ich bin optimistisch, dass wir als innovative Branche jegliche Herausforderungen bewältigen können werden.»
Die usic selbst hat sich im Berichtsjahr aber auch sehr innovativ gezeigt, was hat es damit auf sich?
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Wir haben die Erneuerung dieses Jahr wörtlich genommen, und uns nach innen und aussen damit befasst. Da ist einerseits unser Think Tank, womit wir uns stärker am Diskurs über zukünftige Gesellschaftsfragen beteiligen wollen. Anderseits haben wir unsere Verbandsstrategie überarbeitet, einen Vorschlag für ethische Verhaltensregeln entwickelt, uns mit einer möglichen Namensänderung weiter auseinandergesetzt und unsere Webseite überarbeitet. Auch die Frage, wie die Zusammenarbeit am Bau zukünftig verbessert werden kann, hat uns intensiv beschäftigt.
Die usic hat bereits sieben Arbeits- und Fachgruppen. Warum braucht es noch einen Think Tank?
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In den Arbeits- und Fachgruppen sind Schwerpunktthemen angesiedelt, welche die Branche unmittelbar betreffen. Hier erarbeiten Mitglieder mit entsprechendem Spezialwissen Stellungnahmen zu politischen Tagesgeschäften, verfolgen Entwicklungen und setzen Projekte um, zum Beispiel die Homeoffice-Publikation unserer AG Wirtschaft. Beim Think Tank geht es um übergeordnete Zukunftsfragen entlang der Nachhaltigkeitsziele der UNO. Wir haben dazu nicht nur Planerinnen und Planer, sondern Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft, Schülerinnen und Schüler, Klimaaktivisten usw. an einen Tisch gebracht, um mittels kreativem Prozess Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Mit dem Think Tank wollen wir die innovative und integrative Seite der Ingenieure nach aussen hervorheben.
«Das Fachwissen von Ingenieurinnen und Ingenieuren kann einen gewichtigen Beitrag für die nötigen Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten.»
Ist dieses Gefäss Teil der neuen Verbandsstrategie? Wie sieht diese aus?
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Unsere jetzige Strategie beschreibt vor allem, was wir erreichen wollen, begleitet von einem Massnahmenpapier. Doch um zu wissen, was man will, muss man zuerst wissen, wer man ist. Dem Aspekt der Identität der Branche und des Verbandes wurde bisher zu wenig Rechnung getragen. Die neue Strategie, welche im ersten Halbjahr 2022 verabschiedet wird, soll auf der Identitätsfrage aufbauen. Daraus ergeben sich dann eventuell auch neue Handlungsschwerpunkte. Der Think Tank ist sozusagen die Vorhut dieser neuen Richtung.
Gilt dies auch für die geplante Namensänderung?
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Die Überlegungen dazu auf jeden Fall. Ob diese dann auch tatsächlich kommt, ist abhängig von vielen Faktoren. Im Berichtsjahr hat der Vorstand konkretere Vorschläge dazu eingeholt, aber keine Entscheide gefällt. Der Vorstand wird eine Namensänderung nur dann der Generalversammlung unterbreiten, wenn er vom Mehrwert einer solchen auch wirklich überzeugt ist. Dafür braucht es noch weitere Abklärungen. Aber wie beim Think Tank und der Strategie ist es auch hier wichtig, Bestehendes zu hinterfragen. Gerade das macht die Essenz von Innovation aus.
An unserem letztjährigen Gespräch hatten Sie neue Zusammenarbeitsformen als unmittelbares Schwerpunktthema erwähnt. Was ist da gelaufen?
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Wir haben unsere diesjährige CEO-Konferenz dem Thema gewidmet und damit bewusst ein in der Schweiz noch relativ unbekanntes Terrain betreten. Aktuelle Erfahrungen mit Integrierter Projektabwicklung oder der Zusammenarbeit aller Beteiligten im Big-Room stehen weitgehend in Pilotphasen. Doch die bisherigen Ergebnisse scheinen vielversprechend. Um aber tatsächlich eine bessere Qualität in kürzerer Zeit zu erreichen, muss das Vertrauen zwischen den Beteiligten ins Zentrum rücken. Wir werden sicher an diesem Thema dranbleiben und aktiv mitarbeiten, um gute Grundlagen und Rahmenbedingungen für diese neuen Modelle zu schaffen.
Eine weitere Baustelle war auch dieses Jahr die SIA-LHO. Welchen Beitrag haben Sie dazu geleistet?
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Wir sind in verschiedenen Gremien und Kommissionen des SIA vertreten und bringen uns dort aktiv ein. Wir unterstützen die Revision und machen uns stark für eine Modernisierung und Flexibilisierung der LHO. Wichtig ist, dass die LHO weiterhin als belastbare Grundlage für alle möglichen Projektabwicklungsmodelle dienen können, unabhängig davon, ob nun digitale Methoden angewendet werden oder nicht. Hier ist das Projekt nach unserer Einschätzung auf dem richtigen Weg, auch wenn in den Details noch viele Diskussionen zu führen sind. Etwas mehr Fragezeichen haben wir in Bezug auf allfällige neue Honorierungsmodelle. Wir haben Zweifel, dass sich ein sinnvolles Nachfolgemodell der Baukostenhonorierung realisieren lässt. Wir sind auch nicht überzeugt, dass der Markt ein solches Modell braucht. Hier werden wir weiterhin kritische Fragen stellen.
Nachhaltigkeit ist der usic ein grosses Anliegen. Mit Ihrer Kampagne zum CO2-Gesetz wurden Sie sogar von der FIDIC ausgezeichnet.
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Die Kampagne «Monday to Friday for Future» war äusserst innovativ und in der Umsetzung gelungen. Sie hat unsere Branche genau so dargestellt, wie wir uns sehen möchten: ein bisschen frech, aber vor allem lösungsorientiert. Auch vor diesem Hintergrund ehrt uns die Anerkennung durch unseren internationalen Dachverband sehr.
«Die usic erhielt in der Kategorie ‹Best Advocacy or Campaign› und ‹Best Publication or Website› je eine Auszeichnung.»
Leider konnte damit die Abstimmung nicht gewonnen werden…
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Das ist natürlich ein bedauerlicher Umstand. Das Ergebnis war äusserst knapp. Ich hoffe dennoch, dass die usic durch ihre Aktion einen kleinen Beitrag zugunsten der Vorlage geleistet hat. Nun fokussieren wir aber auf die Zukunft. Die Annahme des Energiegesetzes in den Kantonen Zürich und Glarus sind ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht hat die Ablehnung auf Bundesebene den positiven Effekt, dass die Kantone ihre Verantwortung bei der Reduktion des Energieverbrauchs noch stärker wahrnehmen.
Im Vergleich zum Schneckentempo bei der MuKEn 2014 geht die Umsetzung des revidierten Beschaffungsrechts in den Kantonen rasant voran.
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Das ist tatsächlich äusserst erfreulich! Nach einem Jahr hatten lediglich neun Kantone das Beitrittsverfahren zur IVöB noch nicht eingeleitet. Aber auch Bund, Kantone und Gemeinden haben sich im Rahmen der TRIAS auf eine gemeinsame Beschaffungsdokumentation geeinigt. Ferner sind bis heute rund vierzig Pilotprojekte im Rahmen der neuen Zuschlagskriterien «Plausibilität des Angebotes» und «Verlässlichkeit des Preises» lanciert worden. Der Paradigmenwechsel scheint sich auf dem Papier zu konkretisieren. Die Herausforderung wird aber sein, den Kulturwandel in der Praxis tatsächlich messbar zu machen.
Im Mai 2022 geht Ihre Amtszeit zu Ende. Wie würden Sie Ihre Zeit als Präsident der usic beschreiben?
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Die Corona-Krise war, wie für alle, sehr turbulent. Aber zusammen mit dem Vorstand und der Geschäftsstelle konnten wir die Herausforderung wohl im Sinne unserer Mitglieder meistern und unseren Mehrwert als Verband deutlich machen. Auch freut es mich, dass wir mit den neuen Vorstandsmitgliedern Martina Fasani und Viviane Buchwalder endlich die Dominanz der Männer etwas brechen konnten. Mein Wunsch ist es, dass wir auch weitere Vakanzen mit fähigen Frauen und Jüngeren besetzen können. Neben der fachlichen und regionalen braucht der Vorstand auch eine gesellschaftliche Diversifikation. Inhaltlich ist es uns gelungen, die Bedeutung der usic, sowohl nach aussen wie nach innen, weiter zu stärken.